Mit Sentou verspricht Lili Vogelsang Abhilfe bei Rasurbrand in der Unterhose. Lea-Sophie Cramer hält die Gründerin für talentiert – und sähe sie gern außerhalb der Branche wirken.
Lili Vogelsangs Linkedin-Profil hinterlässt einen zielstrebigen Eindruck: Praktika in der Konrad-Adenauer-Stiftung, im Auswärtigen Amt, bei der Industrie- und Handelskammer (IHK). Dazu Werkstudentin bei Roland Berger, ihr erster Job nach dem Politikstudium führte sie in die Strategieberatung von Wolfgang Ischinger, dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Anschließend wechselte sie zur PR-Agentur Finsbury Glover Hering nach Berlin – und kündigte ihren Job nach nur neun Monaten.
Jetzt sei sie Gründerin, erzählt Vogelsang über einen Hafermilchcappuccino in einem Café in Berlin-Mitte. Vermutlich irgendwas mit Weltrettung, denkt man. Klimaschutz. Auswirkung. Aber Vogelsang lächelt entwaffnend: Nein, nicht direkt. „Wir machen Selfcare für down there“, sagt sie: „Wir wollen die Scham aus dem Schambereich holen.“
Lösung für ein intimes Problem, das viele kennen
Sentou heißt das Startup, das Vogelsang im September 2022 gegründet hat. Über einen eigenen Onlineshop verkauft sie eine geschlechtsneutrale After-Shave-Lotion für den Intimbereich. Sie lösen damit ein „brennendes“ Problem, beteuert die 29-Jährige.
Daraufhin kamen sie durch vertrauliche Gespräche im Freundeskreis. Faste jeder und jede ihrer Freunde kennen Probleme, die Schambehaarung und deren Rasur mit sich bringen, von Pickelchen über Ausschläge hin zu eingewachsene Härchen. Inzwischen liegen sie auch die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage vor, die besagen, dass jeder und jede Zweite schon mal auf Sex verzichtet hätte, weil frisuren- und rasurentechisch da unten nicht alles schick war.
Damit nicht auch
Vorsichtig will man da fragen: Und das ist alles? Macht das diese Welt denn wirklich besser? Vogelsang ist darauf Fragen vorbereitet, sie selbst hat sich diese nämlich auch gestellt: „Das Thema Impact und Gesellschaft ist mir sehr wichtig“, sagt sie. Entsprechend habe sie lange über die Frage nachgedacht: Braucht es wirklich ein neues Kosmetikprodukt? „Erst als ich genügend Antworten hatte, wie ich mit meiner Idee einen Beitrag leistete, habe ich mit entschieden, sie umzusetzen.“
Ein Kosmetikunternehmen, das Menschen nicht andauernd auf ihre Probleme hinweist
Ihr Ziel ist es, zu beweisen, dass man auch ein „nettes Kosmetik-Unternehmen sein kann“, erzählt sie. Eines, das den Menschen nicht ständig erzählt, welches Problem sie haben: Falten, Augenringe, zu viel hier und zu wenig da. „Es geht ums Wohlfühlen und nicht ums perfekt sein“, sagt Vogelsang. Und weil gängige Beauty-Standards für ihre Firma gerade nicht gelten sollen, pflanzen sie auch weitere Produkte zu dem Aftershave dazu: Bald soll es ein Körperhaaröl für diejenigen geben, die sich nicht rasieren, und ein Peeling für diejenigen, die wachsen oder epilieren.
Und dann? Will sie im Schambereich bleiben. „Die große Vision ist es, eine Pflegekategorie ausschließlich für den Intimbereich aufzubauen“, sagt Vogelsang. Gerade fange sie an, das Performance-Marketing von Sentou zu skalieren. Bisher hatte sie zum Teil gebootstrappt, also ihre Firma aus eigenen Mitteln finanziert. Zum Teil konnten sie Gelder des Accelerator-Programms Next Commerce zum Unternehmensaufbau nutzen. Vor einigen Monaten hat sie über das Gründernetzwerk Founderio einen Tech-versierten Co-Gründer gesucht und in Felix Hartmann auch gefunden. Und: Sie ist im Fundraising. Erst vergangene Woche habe sie Investoren getroffen. Erste Zusagen gäbe es schon.
Networking-Trick bringt sie mit Branchengröße zusammen
Was Lili Vogelsang bei all dem hilft, ist ihr Hände fürs Netzwerken. Sie mag Menschen, erzählt die Gründerin, Kommunikation und Austauch geben ihr Energie. Und sie verrät einen essentiellen Tipp für wirklich gutes Networking: „Ich gehe sehr aktiv auf Leute zu – aber immer nur, wenn ich glaube, dass ich auch etwas mitbringen kann.“ Was sie nicht macht: „Lass uns doch mal auf einen Kaffee treffen“-Einladungen ohne Eingabe anbieten. „Ich weiß, wie wertvolle Zeit für Menschen ist.“
Damit nicht auch
Für sie gelte immer: erst geben. Und dann schauen, was zurückkommt. Gestern etwa habe sie mit einem Aufsichtsrat eines großen Beauty-Retailers telefoniert. Der wollte erst gar nicht mit ihr sprechen, doch dann schrieb sie ihm eine Mail: Sie konnte ihm Consumer-Research mitbringen. Und sie habe sich angeschaut, was das Unternehmen auf Social Media macht. Und hatte drei Verbesserungsvorschläge. Da wollte er Vogelsang dann doch plötzlich kennenlernen.
Mit Verena Pausder und Lea-Sophie Cramer nach Estland
So ähnlich sei das auch mit Verena Pausder und Lea Sophie Cramer gelaufen. Aus dem Podcast „Fast an Curious“ erfährt Vogelsang, dass die Investorinnen gerne mal ins Startup-Land Estland reisen würden. Vogelsang war für ein Praktikum in der Außenhandelskammer sechs Monate in Tallinn.
Außerdem schrieb sie Cramer eine E-Mail: „Ich könnte da helfen.“ Sie kennen die Entscheiderinnen und Entscheider der estnischen Startup-Szene, wisse, wie man Wirtschaft und Politik zusammenbringt. „Ich weiß, wie eure Agenda aussehen könnte, ich organisiere das für euch.“ Bist du drin oder draußen?“ Drei Stunden später kam die Antwort: „Wir sind dabei.“ Im November 2022 reist Lili Vogelsang mit den Pausders und Lea-Sophie Cramer nach Estland.
Damit nicht auch
Seitdem stoßen sie und Cramer in unregelmäßigem Austausch. Und einmal habe Cramer zu ihr gesagt: „Lili, Du bist eine so talentierte Gründerin – warum der Fokus auf einen Nischenmarkt?“ Warum suchst Du Dir kein Geschäftsfeld, indem Du einen größeren Hebel haben kannst?“
Intimpflege rettet nicht den Planeten. Es ist keine Raketenwissenschaft, nicht disruptiv, nicht innovativ und wahrscheinlich ist Sentou auch nicht das nächste deutsche Einhorn. Lili Vogelsang aber sieht das ohne Sorge. Sie ist überzeugt, dass Sentou-Produkte für einzelne Menschen in bestimmten Situationen einen Unterschied machen und dass sie eine gute, nette Firma darauf aufbauen kann.
Vom Marktpotenzial her gesehen sei es auch nicht ausgeschlossen, dass ihr Startup etwas wirklich Großes wird, sagt sie. „Aber wir wollen eben – entgegen der gängigen Praxis – ein langfristiges und nachhaltiges Unternehmen aufbauen, das schnell profitabel sein und aus eigener Kraft wachsen kann“, so die Gründerin. „Ich bin nicht E-Commerce und WHU-Spirit genug um zu sagen, wir ballen da jetzt Marketing und Influencer drauf und reden den Leuten ein, dass sie es brauchen.“
Quelle:Gründerszene – News zu Startups, Digitalwirtschaft und VC | Gründerszene.de