Die Ernte im Main-Kinzig-Kreis und in anderen Gegenden von Hessen leidet unter den extremen Wetterverhältnissen: Das Frühjahr war nass, der Sommer bislang sehr trocken. Um an Wasser zu kommen, mussten die Pflanzen zu Beginn des Jahres keine langen Wurzeln bilden, erläutert am Montag der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Main-Kinzig, Mark Trageser. Das sei ihnen in den vergangenen, sehr trockenen Wochen zum Verhängnis geworden.
Daher steht es laut Trageser schlecht um die Bestände der Sommergetreidearten. Hier beklagen Bauern in einzelnen Regionen einen Ausfall von 40 bis 50 Prozent. Besonders betroffen seien die Maisernte. Hier werde der Ertrag in diesem Jahr um ein Drittel sinken. Teilweise sei das Mais auf Sandboden bereits vertrocknet und abgestorben. Doch auch auf den besseren Böden sind die Pflanzen sehr klein. Für eine Kolbenbildung brauchen die Bauern jetzt Regen. Dabei ist Mais für Biogasanlagen ein dringend benötigter Energielieferant – und wichtiges Futtermittel für das Vieh. Einige Bauern hätten bereits Getreide im Reifezustand gehäckselt, um Futter für ihre Tiere zu haben, sagte der Trageser.
Gras noch schlechter dran als Mais
Für die Futterversorgung benötigen die Bauern auch Gras. Doch darum stehe es noch schlimmer als um den Mais. „Das ist für die meisten Betriebe das größte Problem“, sagte Richard Uffelmann, ehemaliger Betriebsleiter des Weiherhofs in Schlüchtern-Breitenbach. Erst hätten die Bauern gedacht, es gebe so viel Gras wie noch nie – und dann sei gar keins gewachsen, sagte der Trageser. Die in den letzten Jahren aufgebrauchten Reserven können in diesem Jahr nicht neu aufgebaut werden.
Die Zuckerrüben ähneln denen des Mais auf einem Stand, der normalerweise bereits Anfang Juni erreicht ist. Der Winterraps reifte großzügig ab. Hier hoffen die Landwirte auf gute Erträge. Auch gebe es Regionen, in denen es generell gut um die Bestände aussieht. Von einer überdurchschnittlichen Ernte könnte aber auch dort nicht ausgegangen werden.
Weizen mit recht schwacher Qualität
Neben wetterbedingten Herausforderungen spüren die Bauern auch die Auswirkungen politischer Entscheidungen. Der Main-Kinzig-Kreis ist laut Düngeverordnung der Bundesregierung ein rotes Gebiet. Das bedeutet, dass die Bauern weniger Dünger verwenden dürfen. Grund ist die hohe Nitratbelastung in Gewässern. Daraus ergebe sich für die Pflanzen jedoch ein Nährstoffmangel – und damit eine schlechtere Qualität, sagte der Trageser. Das zeigt sich deutlich beim Weizen.
Auch die Qualität der Kartoffeln lässt nach. Die Bauern prognostizieren teilweise einen noch geringeren Ertrag als im letzten Jahr – das wären in einzelnen Regionen weniger als 30 Prozent einer Durchschnittsernte. Weitere Probleme befürchtet der Verband durch die Erhöhung des Mindestlohns: Spargel werde dadurch im nächsten Jahr noch teurer werden. Der Anbau wird in Zukunft zurückgehen, die Verbraucher greifen auf günstigere Spargel aus anderen Ländern zurück.
Insgesamt sei die Arbeit der Bauern maßgeblich durch den Weltmarkt bestimmt, sagte der Trageser. Sinkende Milchpreise ließen die Erlöse um ein Drittel sinken, die Anforderungen der EU waren höher als zuvor, und der Ukrainekrieg führte zu starken Preisschwankungen. Die Ausschläge nach oben und nach unten sind für die Bauern deutlich spürbar, und auch die hohen Energiepreise setzen sie zu: Um Dünger zu produzieren ist viel Gas notwendig. Und die Dieselpreise lassen die Produktionskosten ebenfalls in die Höhe gehen.
„Die Weizenernte in diesem Jahr war die teuerste, die wir jemals hatten“, sagte Trageser. Doch Hoffnung bleibt ihm: „Dass der ein oder andere Minister durch den Ukrainekrieg merkt, dass man Landwirtschaft braucht.“
Quelle:Wirtschaft – FAZ.NET