An der Raststätte neben der A3 in Richtung Süden ist an diesem Nachmittag mitten in der Ferienzeit ordentlich was los. Schon vor den Zapfsäulen nach der Ausfahrt stauen sich die Wagen. Der Stopp wird für sie alles andere auch günstig sein. Ein Liter Super-Benzin kostet hier 2,27 Euro – das sind 38 Cent mehr als eine Tankstelle in der nahen Stadt.
Auch die Parkplätze sind fast alle belegt, Familien mit Kindern sitzen auf Bänken in der Sonne und verspeisen ihren mitgebrachten Proviant. Im Rasthof geht es dagegen übersichtlich zu, nur der integriert Burger King und die Kaffeebar (Cappuccino, mittlere Größe: 4,90 Euro) haben Kundschaft angelockt.
Manche Besucher begutachten die Ware – und drehen dann ab. Das Mag an den Preisen liegen: Ein Magnum-Eis oder eine Tüte Haribo-Lakritz kosten hier jeweils 3,99 Euro, ein Bagel mit Avocado-Aufstrich 6,90 Euro. Und die einfache Brezel ist mit 2,99 Euro ausgezeichnet.
Es sind Preise, die vor allem während der Urlaubszeit Hunderttausende Reisende ebenso erstaunen wie verärgern. Und an deren Niveau sich dennoch seit Jahren kaum etwas ändert. Verantwortlich dafür ist aus Sicht seiner Kritiker vor allem der Bonner Betreiberkonzern Tank & Rast, der das Raststättenbusiness mit einem Marktanteil von gut 90 Prozent nahezu monopolartig dominiert.
Nun aber könnte sein Geschäftsmodell unter Druck geraten. Bei den Preisen scheint in Zeiten der Inflation für viele Kunden die Schmerzgrenze erreicht zu sein, die gestiegenen Zinsen dürften den hoch verschuldeten Konzernen in absehbarer Zeit finanziell zusetzen. Und das zentrale Zukunftsprojekt Ladesäulen wird unter anderem der US-Autobauer Tesla torpedieren.
In seiner heutigen Form ist Tank & Rast das Ergebnis der vom damaligen Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) forcierten Privatisierung der staatlichen Autobahn-Nebenbetriebe. 1998 verkaufte der Bund sie für 1,2 Milliarden D-Mark (knapp 600 Millionen Euro) an Investoren.
Mehrere lukrative Eigentümerwechsel
Diese reichten sie später ebenso mit Gewinn weiter wie der jeweilige folgende Eigentümer. Beim bisher letzten Wechsel legte ein von einer Tochtergesellschaft der Allianz geführtes Konsortium 2015 rund 3,5 Milliarden Euro für das Unternehmen hin.
Das betreibt heute 400 Raststätten und rund 360 Tankstellen neben den Autobahnen. Und lobt sich selbst dafür, die Qualität des Aufenthalts mit Investitionen von insgesamt 1,7 Milliarden Euro deutlich verbessert zu haben. Aber günstiger ist die Pause durch den Übergang in private Hände nicht geworden.
In seinem gerade veröffentlichten kürzlich veröffentlichten Test von Raststätten in Deutschland bewertete der ADAC das Angebot von Tank & Rast im Hinblick auf Hygiene und Vielfalt zwar überwiegend positiv. Beim Preisniveau schneidet jedoch keiner der 40 untersuchten Standorte besser als „mangelhaft“ ab.
Um die Kritik zu kontern, verweist Tank & Rast darauf, dass seine Betriebe flächendeckend und rund um die Uhr geöffnet seien – was hohe Kosten verursacht. Zudem sei der Konzern bei dem Thema gar nicht die richtige Adresse: Er betreibe nur wenige Raststätten in Eigenregie, in den allermeisten legen Pächter und Franchisenehmer sowie die Mineralölkonzerne die Preise völlig unabhängig von seinen Vorgaben fest.
Das Bundeskartellamt hat die hohen Preise bislang vor allem auch deshalb akzeptiert, weil abseits der Autobahnen zahlreiche andere Optionen zum Tanken und Pausieren existieren.
Gregor Kolbe überzeugt das nicht: „Es ist zwar theoretisch richtig, dass Ausweichmöglichkeiten existieren, aber in der Praxis sind viele Reisende gezwungen, an einer Autobahnraststätte zu parken“, sagt der Verkehrsexperte vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Wenige Orte in Deutschland sind so teuer wie die Autobahnraststätten, die Preise dort bewegen sich jenseits von Gut und Böse – und das seit vielen Jahren.“
Die Spritpreise an den Autobahnzapfsäulen sollen sinken
Die Situation hat sich im Laufe der Jahre eher verschlechtert, weil das Geschäft für die Tank-&-Rast-Vertragspartner teurer geworden ist. So müssten etwa Mineralölkonzerne aus Wettbewerbsgründen einen Teil der Konzessionen ersteigern. Die dadurch verursachten Mehrkosten gäben sie dann an die Kunden weiter.
Tank & Rast dagegen haben durch das Verfahren höhere Einnahmen beschert. So vermeldet der Konzernabschluss des Auktionsjahres 2018 einen Umsatzplus von 90 Millionen Euro im Mineralölgeschäft. 2022 fand wieder ein Bieterverfahren statt, dessen Ergebnis bisher unbekannt ist.
Es soll jedoch „die durchschnittliche Entgelte je Liter bei höherem Kraftstoffabsatz sein.“ noch stärker als bisher sinken“, so Tank & Rast ganz ironiefrei auf Anfrage. Steigern ließe sich der Absatz vor allem zu günstigeren Preisen. Sie könnten dazu führen, dass mehr Kunden Raststätten und Tankstellen anfahren.
Das würde die letzten eher düsteren Tank-&-Rast-Zahlen womöglich etwas aufhellen. Der im „Bundesanzeiger“ veröffentlichte Konzernabschluss für das Jahr 2021 weist bei einem Umsatz von 537 Millionen Euro einen Verlust nach Steuern von 315 Millionen Euro aus.
Ein Grund dafür war der wegen der Corona-Pandemie eingeschränkte Geschäftsbetrieb. Das Unternehmen erklärt, dass sich seine finanzielle Situation durch seine Normalisierung positiv entwickelt habe.
Zum desaströsen Ergebnis trugen allerdings auch die hohen Zinszahlungen von 218 Millionen Euro bei – eine Folge der enormen Verschuldung. Seine Verträge bezifferte der Konzern zuletzt auf insgesamt 4,3 Milliarden Euro. 2,6 Milliarden Euro davon stammen von den Gesellschaftern, sie werden erst nach 2040 fällig.
Mit Umschuldungen hat Tank & Rast die Zinslast für weitere Kredite und Anleihen in den vergangenen Jahren zwar gespeichert. Und Absicherungsgeschäfte sollen das niedrige Niveau mittelfristig fixieren. In einigen Jahren aber dürfte sich der Schuldendienst durch die gestiegenen Leitzinsen erhöhen.
Tank & Rast erklärt dazu, das Unternehmen verfüge „über eine angemessene Finanzierungsstruktur, die eine stabile und langfristig orientierte Geschäftsentwicklung ermöglicht“. Das bestätigten auch die Einstufungen unabhängiger Ratingagenturen.
Ein Euro für die Toilette
Wirklich rund lief es für den Konzern schon vor der Pandemie nicht. Obwohl immer wieder neue Standorte aufgemacht wurden, ging der Umsatz mit Pächtern und Franchisenehmern kontinuierlich zurück. Auch die internationale Expansion des Toilettenbetreibers Sanifair ist bislang kein durchschlagender Erfolg.
Im vergangenen Herbst erhöhte das Tochterunternehmen von Tank & Rast hierzulande die Gebühr für einen Toilettengang von 70 Cent auf einen Euro. Die Nutzer erhalten im Gegenzug zwar einen Wertbon in gleicher Höhe. Allerdings können Sie für jedes in der Raststätte erworbene Produkt jetzt nur noch einen Gutschein verwenden.
Dadurch dürfte sich der Anteil der uneingelösten Bons erhöhen. Wie hoch er ist, teilt Tank & Rast auf Anfrage nicht mit. Dass der Konzern mit Mehreinnahmen rechnet, zeigt aber seinen Verweis auf geplante Investitionen von 40 Millionen Euro.
Wachsen will Tank & Rast auch mit der Übernahme abseits der Fahrbahn gelegener Autohöfe. Der Konzern sieht darin eine „„Ergänzung des Kerngeschäfts“. Daniel Ruscheinsky, Geschäftsführer des Familienbetriebs 24-Autohöfe, vermutet weitreichendere Motive hinter der Strategie.
„Wir erklären uns das damit, dass der Konzern Streckenabschnitte komplett dominieren will“, sagt er. „Womöglich braucht er auch eine Wachstumsstory für einen künftigen Weiterverkauf.“ Obwohl sie meist ebenfalls kontinuierlich geöffnet haben, sind Autohöfe fast immer wesentlich günstiger als die Tank-&-Rast-Betriebe.
„Kraftstoff kostet bei uns genauso viel wie an den örtlichen Tankstellen, die Preise im Shop und Restaurant liegen aufgrund der längeren Öffnungszeiten leicht darüber“, sagt Ruscheinsky. Etwas anderes würden seine Kunden, die zu 30 Prozent aus der Region stammen, auch nicht akzeptieren.
Juristischer Ärger kommt noch hinzu
Im Wettbewerb mit dem großen Rivalen haben sich die mittelständisch geprägten Autohöfe schon immer benachteiligt gefühlt. Sie klagen also etwa darüber, dass die Tank-&-Rast-Standorte deutlich besser ausgeschildert seien. Dennoch sieht sich Unternehmer Ruscheinsky für die Zukunft gut gerüstet.
Das liegt auch daran, dass er schon früh auf alternative Antriebe wie Elektro, Wasserstoff und Gas gesetzt habe. Bei diesen habe er einen Vorteil: „Autohöfe liegen am meisten in Gewerbegebieten, wo die Stromversorgung leichter fällt als auf der Autobahn.“
Auch Tank & Rast setzt große Hoffnungen in die Antriebsrevolution und rühmt sich, bereits mehr als 1400 Ladepunkte an rund 370 Standorten bieten zu können. Dabei läuft nicht alles wie erhofft. So gibt es juristischen Ärger. Die zuständige Autobahngesellschaft hatte Tank & Rast ohne Ausschreibung mit dem Betrieb der Ladesäulen beauftragt, der Konzern handelte dafür mit einigen Partnerunternehmen Verträgen aus.
Das Vorgehen wollen Tesla und der niederländische Ladesäulenbetreiber Fastned jedoch nicht akzeptieren. Ende Juni ist ihre Klage beim Europäischen Gerichtshof gelandet, der wohl frühestens in einem Jahr entscheiden wird. Bis dahin gibt es keine Rechtssicherheit. Beschleunigen wird das den Ausbau sicher nicht.
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Quelle:Nachrichten – WELT