Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wurde man offenbar überrascht vom Eifer des Wirtschaftsministers mitten in der politischen Sommerpause. Am 25. Juli präsentierte das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) einen Entwurf für „klimapolitische Sektorleitlinien für Exportkreditgarantien“.
Doch im BDI ist auch am Tag nach der Veröffentlichung noch niemand zur Analyse des Papiers in der Lage. Das Dokument hat einen komplizierten technischen Titel. Für die deutsche Exportwirtschaft wird es aber weitreichende Folgen haben. Auch beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), dessen Mitgliedsunternehmen besonders vom Exportgeschäft abhängig sind, ist man bisher noch nicht zu einer Antwort fähig.
Was Habecks Leute sich vorgestellt haben, ist der Export der deutschen Klimaschutzpolitik ins Ausland. Der Entwurf sieht neue Regeln vor, nach denen der deutsche Staat entscheidet, welche Geschäfte mit dem Ausland er fördert und welche nicht.
Dabei geht es um die sogenannten Hermesbürgschaften, mit denen Firmen wirtschaftliche und politische Risiken bei Exportgeschäften absichern können. Der deutsche Staat garantiert bislang bis zu 95 Prozent der Summe, wenn es Probleme gibt.
Es handelt sich um eine Art Versicherung mit geringem Selbstbehalt von nur fünf Prozent für das Unternehmen. Doch diese Policen sollen künftig in bestimmten Sektoren nicht mehr für alle Exportgeschäfte angeboten werden.
Stattdessen wird die Ampel-Regierung mit den neuen Regeln dafür sorgen, dass nur noch solche Geschäfte im vollen Umfang gefördert werden, die den Klimaschutzvorstellungen der Bundesregierung entsprechen. Betroffen sind die Sektoren Energie, Metall- und Chemieindustrie sowie der Transport mit ziviler Luft- und Schifffahrt.
Habecks neue Regeln für Exporte
In diesen Branchen soll es künftig drei Kategorien von potenziellen Auslandsgeschäften geben: Projekte, die nach Auffassung von Habecks Ministerium besonders förderwürdig sind, fallen in die grüne Kategorie. Für sie gelten künftig sogar noch bessere Bedingungen als bisher.
Statt maximal 95 Prozent übernimmt der deutsche Staat dann sogar 98 Prozent des Risikos, die Selbstbeteiligung sinkt. Und Geschäfte in dieser Kategorie erhalten noch einen weiteren Vorteil für die Unternehmen: Bislang muss mindestens die Hälfte der Wertschöpfung für das exportierte Produkt in Deutschland stattfinden, damit auch der Standort Deutschland und die Arbeitnehmer hierzulande von den Garantien profitieren. Künftig können in der grünen Kategorie auch Projekte abgesichert werden, bei denen der Großteil der Wertschöpfung, nämlich bis zu 70 Prozent, im Ausland stattfindet.
In der mittleren, weißen Kategorie landen alle Produkte, die weder besonders positive noch negative Auswirkungen auf den Klimaschutz haben. Für sie soll sich im Vergleich zu den geltenden Regeln nichts ändern.
Ausgeschlossen von den Exportgarantien sind künftige Produkte, die die Bundesregierung in die rote und damit klimaschädliche Kategorie einsortiert. Im Bereich der fossilen Energieträger gibt es entsprechend gar keine grüne Kategorie mehr. Gerade noch nach den alten Bedingungen förderfähig und damit in der weißen Kategorie sind Kohle- und Erdöl-Projekte, die „der Stilllegung fossiler Energieinfrastruktur oder deren Umwandlung in die Nutzung für nicht fossile Energieinfrastruktur dienen“.
Auch Notstromaggregate insbesondere für humanitäre Notfälle werden noch der weißen Kategorie zugeordnet. Alle anderen Kohle- und Öl-Projekte sollen künftig keine staatlichen Garantien mehr erhalten.
Strenge Export-Regeln beim Erdgas
Beim Erdgas ist die Liste der Ausnahmen, die noch in die weiße Kategorie gefallen ist, etwas länger. Aber auch hier sind die Faktoren Stärke. So dürfen bei der Gewinnung von Erdgas keine Kapazitäten mehr erhöht werden, neue Vorkommen dürfen nur erschlossen werden, wenn es der nationalen Sicherheit oder geostrategischen Versorgungssicherheitsinteressen dient – zum Beispiel, weil wie im vergangenen Winter ein Engpass droht.
Zusätzlich müssen diese Projekte nach dem neuen Regen aber mit dem Ziel vereinbar sein, dass sich das Klima nur um maximal 1,5 Grad erwärmen darf und sogenannte Lock-in-Effekte vermieden werden, man auch nicht dauerhaft auf die Erdgasnutzung angewiesen ist. „Die Prüfung erfolgt evidenzbasiert“, heißt es in dem Entwurf.
Die Liste der Ausnahmen ist lang und detailliert, so dürfen beispielsweise in Entwicklungsländern Projekte gefördert werden, auch wenn das Erdgas zum Kochen genutzt wird, „wenn keine erneuerbaren Alternativen verfügbar sind“. Im Bereich Transport fallen beispielsweise nur „hybridelektrische“, „batterieelektrische“ und „mit Wasserstoff betriebene“ Flugzeuge in die grüne Kategorie, deren Export besonders gefördert werden soll.
Doch solche Modelle sind bisher bestenfalls noch in der Entwicklung, lediglich Kleinflugzeuge lassen sich bislang elektrisch betreiben. Dementsprechend würden kaum Unternehmen von dieser Förderung profitieren. In der weißen Kategorie landen lediglich noch solche Flugzeuge, die zu mindestens 50 Prozent mit „nachhaltigem Flugzeugkraftstoff“ (SAV) betrieben werden können, ab 2030 müssen sie sogar zu 100 Prozent mit diesem Kraftstoff fliegen. Alle anderen Flugzeuge fallen in die rote Kategorie, ihr Export kann dann künftig nicht mehr abgesichert werden.
Nachhaltige Stahlherstellung
Bei der Stahlherstellung Ab 2030 sollen nur noch Projekte in der weißen Kategorie gefördert werden, die „mit nachhaltigem Wasserstoff“ betrieben werden. Um in die grüne Kategorie zu kommen, müssen sie die „Richtwerte zu Emissionen und/oder den Schrottanteil der EU-Taxonomie“ erfüllen. Alle Anlagen der Stahlerzeugung, die noch mit Kohle betrieben werden, sind in der roten Kategorie und damit nicht mehr absicherungsfähig.
Bei der Herstellung von Aluminium kommt es sogar darauf an, wie der Strom für die Produktion erzeugt wurde. Entstanden dabei mehr als 500 g CO₂ pro Kilowattstunde wird das Projekt automatisch in die rote Kategorie einsortiert und nicht mehr gefördert. Auch für die Produktion von Chemikalien wie Ammoniak, Methanol und anderen Stoffen gibt es nun genaue Kriterien, die künftige Projekte erfüllen müssen, um als klimafreundlich und damit förderwürdig zu gelten.
Konkrete Folgen könnten die künftigen Regeln auch für bereits geplante oder zumindest angekündigte Projekte haben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte beispielsweise bei ihm Besuch im Senegal Angekündigt, dass sich Deutschland an der Erschließung eines neuen Gasfeldes in dem afrikanischen Land beteiligen will – auch um die eigenen Versorgungsprobleme zu lösen.
Aus Kreisen der Bundesregierung verlautete nach der Vorstellung von Habecks Plänen, der Staat sei an der Erschließung und Nutzung von Erdgasfeldern im Senegal nicht finanziell beteiligt. Es gebe bisher keine konkreten Anträge aus der Wirtschaft, ein entsprechendes Projekt zu fördern. Sollte sich das ändern, muss auch dieses Projekt die neuen Regeln einhalten.
Immerhin soll sich die Regierung bei diesem Vorhaben aus dem Habeck-Ministerium einig sein. Laut Wirtschaftsministerium haben sowohl Finanzminister Christian Lindner (FDP) als auch das Kanzleramt die Pläne abgesegnet.
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Quelle:Nachrichten – WELT