Die deutsche Wirtschaft hat wegen der Auftragsflaute einen Fehlstart ins zweite Halbjahr hingelegt. Der Einkaufsmanagerindex für die gesamte Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleister zusammen – sank im Juli um 2,3 auf 48,3 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Montag zu seiner monatlichen Umfrage unter etwa 800 Unternehmen mitteilte. Dies ist nicht nur die dritte Gefahr in Folge, sondern auch der schlechteste Wert seit acht Monaten. Zuvor befragte Ökonomen hatten nur einen Wert auf 50,3 Zähler erwartet. Damit liegt das Barometer erstmals seit Januar unter der Schwelle von 50 Zählern, ab der es Wachstum signalisiert.
„Das ist ein schlechter Start in das dritte Quartal für die deutsche Volkswirtschaft“, sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB), der die Umfrage gesponsert hat. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte in einer Rezession befindet, ist gestiegen.“ Schon Ende 2022 und Anfang 2023 ist Europas größte Volkswirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft und befindet sich seither in einer sogenannten technischen Rezession.
„Der Anstieg der Arbeitslosenquote dürfte sich fortsetzen“
„Der Abschwung wird nach wie vor vom verarbeitenden Gewerbe angeführt“, sagte de la Rubia. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie sank von 40,6 auf 38,8 Punkte und damit auf den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren. Die Bedenken der Industrieproduktion fielen dabei so stark aus wie seit Mai 2020 nicht mehr, als die Corona-Pandemie ihre Auswirkung zeigte. Angesichts sinkender Neuaufträge und eines schrumpfenden Auftragsbestandes verkleinerten die Hersteller erstmals seit zweieinhalb Jahren ihre Belegschaft.
Der Einkaufsmanagerindex für die Dienstleister gab im Juli ebenfalls nach, wenn auch nur von 54,1 auf 52,0 Punkte. Das ist dennoch der schlechteste Wert seit fünf Monaten. „Im Servicesektor ist die Zahl der Neueinstellungen derweil deutlich zurückgegangen“, sagte Chefvolkswirt de la Rubia. „Der Anstieg der Arbeitslosenquote, den wir in den letzten Monaten beobachten konnten, dürfte sich daher fortsetzen.“
Auch die Wirtschaft in der Euro-Zone hat ihren Schrumpfkurs zu Beginn der zweiten Jahreshälfte verschärft. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft sank im Juli um 1,0 auf 48,9 Punkte, wie S&P Global zu seiner Umfrage unter Tausenden Firmen mitteilte. Das ist der zweite Nachteil und der schlechteste Wert seit November 2022. Das an den Finanzmärkten stark beachtete Barometer entfernte sich damit ebenfalls weiter von der Wachstumsschwelle, die bei 50 Punkten liegt. Zuvor befragte Ökonomen hatten nur mit einem leichten Nachteil auf 49,7 Punkte gerechnet.
Preisdruck in der Industrie und bei den Dienstleistern lässt nach
„Die Wirtschaft der Euro-Zone wird in den nächsten Monaten wahrscheinlich weiter schrumpfen, da der Dienstleistungssektor an Schwung verliert“, sagte de la Rubia. Das Barometer für den Service-Sektor liegt um 0,9 auf 51,1 Punkten, den niedrigsten Stand seit einem halben Jahr. Erstmals seit der Jahreswende sei das Neugeschäft geschrumpft, ebenso wie der Auftragsbestand.
Noch düsterer sieht es in der Industrie im Euroraum aus. Hier sank das Barometer um 0,7 auf 42,7 Punkte. Das ist der schlechteste Wert seit mehr als drei Jahren. „Das verarbeitende Gewerbe ist weiterhin die Achillesferse der Euro-Zone“, sagte de la Rubia. Die Hersteller hatten ihre Produktion im Juli abermals zurückgefahren.
Gleichzeitig hat der Preisdruck weiter nachgelassen: Die Unternehmen hoben ihre durchschnittlichen Verkaufspreise so schwach an wie seit knapp zweieinhalb Jahren nicht mehr. In der Industrie wurden die Preise aufgrund der sinkenden Nachfrage so stark reduziert wie seit dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise 2009 nicht mehr, hieß es. Bei den Dienstleistern steigen sie zwar immer noch, aber deutlich langsamer.
Quelle:Wirtschaft – FAZ.NET