EZuerst war es nur ein schlechter Jahresabschluss 2022, dann eine „technische“ Rezession nach einem schwachen Start ins neue Jahr – verbunden mit dem Versprechen, dass es wirtschaftlich bald wieder bergauf gehen wird. Noch Ende April prognostiziert die Bundesregierung ein Wachstum von 0,4 Prozent für das laufende Jahr. Doch spätestens nach dem neuen starken Rückschlag für den Ifo-Geschäftsklimaindex am Dienstag ist klar: Selbst dieses Mini-Wachstum ist utopisch. Auch im zweiten Halbjahr droht das deutsche Bruttoinlandsprodukt zu schrumpfen, 2023 wird wirtschaftlich ein verlorenes Jahr.
Für die vermaledeite Situation gibt es nicht die eine Ursache, sondern ein Bündel belastender Faktoren: die hohen Energiekosten und die Inflation, die gestiegenen Zinsen und die investitionsscheu werdenden Unternehmen, die schwache Weltwirtschaft und die Konkurrenz aus Amerika, die schwindende Kaufkraft und die Sorge vor schlechteren Zeiten, den Fachkräftemangel und eine zerstrittene Bundesregierung. Kurzfristige Probleme vermischen sich mit Strukturen, das trübt die Hoffnung auf eine baldige Trendumkehr.
Die Deutsche Industrie leidet
Am schlechtesten steht die deutsche Industrie da, die für mehr als ein Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung verantwortlich ist. Die seit der Pandemie gut gefüllten Auftragsbücher leeren sich, die hohen Strompreise und die Zinsen belasten das Geschäft stärker als in anderen Branchen. Ob es für die energieintensiven Betriebe in Deutschland noch eine Zukunft gibt, ist unklar, die Baubranche rutscht in eine echte Krise.
Nach der Sommerpause wird sich in Berlin die Frage aufdrängen, was gegen den hartnäckigen Abschwung zu tun ist. Besonders betroffene Branchen werden auf Konjunkturhilfen pochen. Der Druck, Unternehmen mit einem Industriestrompreis unter die Arme zu greifen, wird wachsen. Angesichts der knappen Kassen und der Gefahr, mit Nachfrageimpulsen die Inflation zu befeuern, sollte sich die Regierung nicht zu einem neuen „Wumms“ verleiten lassen. Anders als in früheren Rezessionen Wirkt der Arbeitsmarkt stabil. Die deutsche Wirtschaft braucht deshalb keinen Notarzt – sondern eine Langzeittherapie.
Quelle:Wirtschaft – FAZ.NET