Um die Sicherheit am Hamburger Hauptbahnhof zu verbessern, kündigen Innenbehörde und Polizei gleich mehrere neue Maßnahmen an – dazu gehört neben einem Mitführverbot von Waffen auch der verstärkte Einsatz von Videoüberwachung. Und das gilt nicht nur für größere umliegende Gebiete.
VOder rund 22 Jahre lang verlor die Hamburger SPD auch deshalb eine Bürgerschaftswahl – und musste das Bürgermeisteramt an die CDU abtreten, die Unterstützung von der Schill-Partei gefunden hatte –, weil die Situation rund um den Hamburger Hauptbahnhof eskalierte. Die Sozialdemokraten hatten das Thema lange nicht ernst genommen und kleingeredet. Das soll dieses Mal nicht wieder passieren, und so mangelte es bei einer Pressekonferenz am Donnerstag nicht an deutlichen Worten, gesprochen etwa von Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. „Keine Frage, wir haben da ein echtes Problem“, sagte Grote. Und es gelte nun, „dicke Bretter zu bohren“, um die Situation zu verbessern, schließlich stehe „der Hauptbahnhof ein Stück weit auch für die ganze Stadt“.
Zu diesen „dicken Brettern“ zählt das Mitführen von Waffen im Hauptbahnhof, auf den ihn umgebenden Plätzen und in den Tunnelanlagen, die dorthin führen. Überall dort – und auch am nahen ZOB – soll vom 1. Oktober an eine durchgehende Waffenverbotszone gelten. Bei früheren Kontrollen – zuletzt am vergangenen Wochenende – waren neben Messern auch Äxte, Beile, Macheten und Schlagringe gefunden worden. Nicht in übermäßig großer und von Kontrolle zu Kontrolle sogar abnehmender Zahl, aber nun soll ganz Schluss damit sein. Die Polizei hat nun jedenfalls die Möglichkeit, eine durchgehende entsprechende Personenkontrolle vorzunehmen. Bereits jetzt wurden 30 Beamte von anderen Revieren nach St. Georg versetzt, um von hier Maßnahmen dieser Art durchzusetzen und mehr „Präsenz und Konsequenz“, wie Grote es ausdrückte, zu zeigen. Laut dem Präsidenten der Bundespolizeidirektion HannoverMichael Schuol, hat auch seinen Bereich mehr Beamte im Einsatz, man will künftig „noch unberechenbarer“ sein.
Bei der Kontrolle der Areale im und rund um den Hauptbahnhof herum soll es zudem zu einem vermehrten Einsatz von Videoüberwachung kommen, Machbarkeitsstudien, also Grote, würde schon laufen. Man habe damit gute Erfahrungen auf der Reeperbahn und auf dem Hansaplatz gemacht. Wie zügig die Technik einsatzbereit ist, konnte noch nicht konkret gesagt werden, aber in ein bis zwei Jahren, schätzte Meyer, sollte es soweit sein.
Bereits im April dieses Jahres wurden bereits erste Maßnahmen zur Verbesserung der Situation gestartet, seitdem gibt es die sogenannten „Quattro-Streifen“, besetzt mit Beamten und Sicherheitskräften von Bundes- und Landespolizei sowie der Deutschen Bahn und der Hochbahn. Alle angewandten zogen am Donnerstag eine zufriedene Bilanz; Zwar könnte noch nicht gesagt werden, wie sich die Kriminalität in dieser Zeit verändert habe, aber die Rückmeldungen aus verschiedenen Bereichen des Bahnhofs seien gut. Es gab mehr als 200 Festnahmen, in weiteren rund 1000 Fällen wurde das Hausrecht durchgesetzt, die Personen mussten auch das Gebäude verlassen.
WELT AM SONNTAG hatte in der vergangenen Woche exklusive Einblicke in die Kriminalitätsentwicklung an diesem besonderen Ort bekommen. Insbesondere die Eigentumsdelikte stechen am Hauptbahnhof heraus. Gab es 2021 noch 972 Diebstähle, waren es im vergangenen Jahr 2365, ein Plus von 143 Prozent. Von Januar bis April dieses Jahres wurden bereits 924 Diebstähle gezählt. Ähnlich sieht es bei den Taschendiebstählen aus. Aber auch die Gewaltdelikte stiegen an, um 22,6 Prozent, von 544 Taten im Jahr 2021 auf 667 im vergangenen Jahr. 233 Gewaltdelikte wurden in den ersten Monaten 2023 gezählt. Darunter gefallene Körperverletzungen, aber auch Waffenbesitz. Dass Hamburg Damit den unsichersten Hauptbahnhof Deutschlands haben, wie oft behauptet wird, bezweifelte Grote. Man muss die absoluten Zahlen immer ins Verhältnis zur Personenfrequenz und zur Kontrolldichte setzen. Ein Punkt, den auch Polizeipräsident Meyer an Beispielen deutlich gemacht hat – wenn mehr Streifen unterwegs sind, werden auch mehr Anzeigen erstattet und mehr Kontrollen durchgeführt. Das Dunkelfeld wird so aufgehellt, oder wie der zuständige Bundespolizei-Präsident Schuol es ausdrückte: „Wir machen in gewisser Weise das Licht an“. Viele der Delikte, da waren sich alle einig, würden auch nicht direkt den normalen Bahnhofsbenutzer tangieren, da geht es dann um das Mitführen von Betäubungsmitteln, Verstöße gegen das Ausländergesetz oder um Hausfriedensbruch. Einigkeit bestand aber auch darüber, dass sich die allgemeine Situation insbesondere im zweiten Halbjahr 2022 mit der Rückkehr des normalen gesellschaftlichen Lebens nach der Corona-Pandemie deutlich verschlechtert hatte – das gelte auch für andere Metropolen, aber eben auch für Hamburg. „Das Gefühl der Sicherheit“, so Polizeipräsident Meyer, „ist ein wichtiger Punkt.“
Zu diesem Grundgefühl gehört auch die Sauberkeit der Anlagen, hier wolle die Stadtreinigung noch mehr tun, wie Grote ankündigte. Ebenso soll es von Oktober an möglich sein, über eine App direkt im Bahnhofsgebäude schnell Hilfe zu holen. Und schließlich sollen die Drogenabhängigen, die für einen Großteil der Delikte sorgen, mehr Betreuung durch das nahe DrobInn erfahren, das seine Öffnungszeiten ausweiten wird. Der Bezirk Mitte werde zudem seine Sozialarbeit verstärken.
Die CDU sieht sich bestätigt
Die CDU, die das grundsätzliche Thema Innere Sicherheit für sich als Wahlkampfthema erkannt hat, verwies in einer Reaktion darauf, dass einige der Maßnahmen eigenen Forderungen entsprechen würden. „Die jetzt späte Einsicht und Anerkennung der Realität von Bürgermeister Tschentscher und seinem rot-grünen Senat ist immerhin ein Anfang. Das Polizistenverlagern von einer Polizeistelle zur anderen ist zumindest keine nachhaltige Lösung, denn dann fehlen die Polizisten an anderen Orten der Stadt.“ Die Stadt braucht mehr Beamte. Die Linke möchte zwar die Kriminalität vor Ort auch nicht ignorieren, würde aber zunächst die Ursachen analysieren, die sie in einer zunehmenden Verelendung sieht. „Der Senat stellt sich stur und setzt auf Vertreibung statt Sozialpolitik“, so Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Fraktion. Die AfD erkennt in der dauerhaften Waffenverbotszone „eine politische Bankrotterklärung in puncto Innere Sicherheit.“„.
Quelle:Nachrichten – WELT