EEine junge Frau ohne Geschichte, unterwegs in einer Gegend, die literarische Mythen hervorgebracht hat, zuletzt aber vor allem für ihre unbezahlbaren Immobilien bekannt geworden ist. Alex heißt die junge Frau, von der wir kaum mehr erfahren als das, ihren Namen. Bei der Gegend handelt es sich um die Hamptons, exklusive Strandbezirke auf Long Island, draußen vor den Toren New Yorks. Beide Ortsnamen erfährt man nicht in Emma Clines Roman „Die Einladung“, New York ist hier immer nur „die Stadt“, die Hamptons bleiben eine Landschaftsbeschreibung endloser Strände und riesiger Häuser. Es ist diese Technik der Aussparung, die einen imaginären Raum eröffnet und die Emma Cline, eine der erfolgreichsten amerikanischen Autorinnen ihrer Generation, in diesem Buch minutiös praktiziert.
Leere Häuser. Leere Pools. Leere Menschen, reduziert auf Namen. Oder darauf, den eigenen sozialen Status zu verkörpern: Der Mann. Der Teenager. Das Kind. Die Nanny. Die Frau. „Alex“, heißt es über die Hauptfigur dieses Romans, „war ein Art gesellschaftliches Ausstattungsstück – nur ihre Gegenwart war erforderlich, die ungefähre Größe und Form einer jungen Frau.“ Sie lässt sich von reichen Männern aushalten. Alex klaut, betrügt, nimmt Drogen, schleicht sich immer wieder neu bei anderen Männern ein.
Was sie kann, und sie kann es schlafwandlerisch, hat aber nichts Literarisch-Glamouröses, wie es die Hochstapelei wäre, es ist eine leere Methode des Überlebens. Da gibt es noch andere junge Frauen in New York und den Hamptons, die so leben, Alex kennt sie, erkennt sie sofort. An der Seite von Männern mit Geld.
Kalter Roman der eskalierenden Desillusion
Für Alex ist das Simon, bei dem sie ein paar Monate lebt, bis Alex einen Fehler macht und er sie rauswirft. Und es gibt da noch Dom, nicht ganz so reich, dessen Drogen und Geld Alex trotzdem geklaut hat und der ihr hinterherjagt. Jack, der nächste Kandidat, ist erst siebzehn Jahre und hat psychische Probleme, was Alex aber nicht aufhält. Und so driftet sie, 22 Jahre alt und normschön, einem Ende entgegen, das Emma Cline dann aber wieder ausspart. Es ist die einzige Schwäche eines kalt-genauen Romans der eskalierenden Desillusion. Denn es wirkt, als hätte nicht nur seine Hauptfigur, sondern auch seine Autorin am Ende nicht mehr weitergewusst.
Wie der Zufall es hinzufügt, ist vor Kurzem ein mutmaßlicher Frauenmörder auf Long Island festgenommen worden, der sein Opfer am Gilgo Beach deponierte. Das ist zwar nicht so exklusiv wie die Strände in Emma Clines Roman. Aber diese Nachricht gibt der Geschichte von Alex und den anderen Mädchen einen weiteren SStift, als wäre sie nicht schon beklemmend genug. Schon Emma Clines historischer Debütroman „The Girls“ über die Frauen aus der mörderischen Manson-Family hatte 2016 für Aufsehen (und einen hohen Vorschuss) gesorgt.
Quelle:Aktuell – FAZ.NET