DWie Gesagte war noch nicht lange in der Welt, da erbrachte Jessic Ngankam schon den Beweis. Dass er körperlich robust sei, hatte der neue Stürmer vom Fußball-Bundesligaklub Eintracht Frankfurt bei der Vorstellungsrunde im Trainingslager in Windischgarsten angekündigt, als er nach seinen Stärken gefragt wurde. Und nur kurze Zeit später ließ er im Abschlussspiel der Trainingseinheit seinen Teamkollegen Paxten Aaronson zweimal derart an sich abprallen, dass sich das Leichtgewicht aus den Vereinigten Staaten erst mal schütteln musste. Ein Zweikampf mit einer Botschaft: Der Neue ist da!
Ngankam, so viel lässt sich nach einer Woche bei der Eintracht schon konstatieren, ist keiner, der sich versteckt oder es in den ersten Wochen im neuen Klub erst mal ruhiger angehen lässt. Das war schon in seinem ersten Testspiel für die Frankfurter gegen die SG Barockstadt Fulda-Lehnerz zu sehen. Da trat er in der 48. Minute zum Elfmeter an, nachdem er kurz zuvor erst eingewechselt worden war und den Ball noch gar nicht berührt hatte. Ngankam verschoss. Wie schon vor einigen Wochen im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bei der U-21-Europameisterschaft, Als er im Anschluss in den sozialen Medien Opfer hässlicher Anfeindungen wurde. „Es ist traurig, dass wir rassistisch gehatet wurden“, sagt Ngankam, der sich gemeinsam mit dem ebenfalls übel beschimpften Stürmer von Borussia Dortmund, Youssoufa Moukoko, öffentlichkeitswirksam zur Wehr gesetzt. Da müsse man als Spieler drüber stehen, sagte er nun in Österreich.
Der 23-Jährige hat keine einfache Zeit hinter sich. Frankfurt ist wie ein Neustart für ihn. Zuletzt erlebte er zwei Abstiege aus der Bundesliga: erst mit der SpVgg Greuther Fürth, dann mit seinem Heimatklub Hertha BSC. Die Hinrunde der vergangenen Saison verpasste er wegen einer Knieverletzung und eines Muskelfaserrisses. In der Rückrunde steuerte er zum offensiv phasenweise desaströsen Hertha-Spiel vier Tore und zwei Vorlagen bei. Doch auch der Nachwuchsspieler konnte den Abstieg nicht verhindern. „Natürlich sei das eine schwierige Saison gewesen“, sagt Ngankam. Aber jetzt sei es an der Zeit, in die Zukunft zu blicken: „Ich will das Thema am liebsten einfach abhaken.“ Und der verschossene Elfmeter in Fulda? „Ich hatte wie bei der Nationalmannschaft einfach ein gutes Gefühl und wollte den Elfmeter schießen.“ „Hat leider nicht geklappt“, sagt der Angreifer: „Aber der nächste wird reingehen.“
„Anstärken, aber macht Spaß“
So einfach ist das bei ihm. Ngankam verkörpert eine Leichtigkeit, die einem Team guttun kann. Das zeigte auch die erste Fragerunde: Wie das Trainingslager läuft? „Anstärkend, aber macht Spaß.“ Die Einheiten unter dem neuen Trainer? „Läuft alles gut, macht Spaß.“ Und der Konkurrenzkampf? Eine „coole“ Sache: „Wir haben mit Kolo Muani, Marmoush, Lindström und so sehr viel Qualität im Team.“ Das freut mich, weil man sich dann weiterentwickeln kann und muss.“
Die Hauptstadt zu verlassen, wo Ngankam in Spandau aufwuchs, ist ihm nicht leichtgefallen. „Wenn man sein ganzes Leben lang in Berlin lebt, ist es nicht so einfach.“ Gerade fühlt es sich noch ein bisschen komisch an.“ Dabei hätte er auch bleiben können. Ein Angebot von Union Berlin lehnte er aber ab wegen seiner Verbundenheit zur Hertha ab, bei der er von 2007 an ausgebildet wurde und – abgesehen von den Ausleihen nach Fürth – auch seine Zeit als Profi verbrachte.
Nonne auch Frankfurt. Der erste Vereinswechsel. Welche Rolle er spielen werde, werde man sehen, sagt Ngankam. Bleibt Stürmer Randal Kolo Muani, sind neben dem gesetzten Spielgestalter Mario Götze in der Offensive nur noch wenige freie Plätze, um die vielen Spieler konkurrieren. Seine Lieblingsposition sei die Sturmspitze, sagt Ngankam. Aber der Angreifer kann auch auf dem Flügel spielen, wo im eingangs erwähnten Abschlussspiel Aaronson Bekanntschaft mit ihm machte. Was noch nicht so gut klappte, war das Toreschießen, das Ngankam ebenfalls zu seinen Qualitäten zählt.
Das galt jedoch für das gesamte Team. In aussichtsreichen Positionen fehlte mal der letzte Pass, mal das Durchsetzungsvermögen, und mal stimmten die Laufwege nicht. Am Ende war es selbstverständlich Kolo Muani, der den einzigen Treffer des Tages erzielte und das Spiel mit einem satten Schuss entschied. Es gibt Nachholbedarf. Das Toreschießen wurde in der darauffolgenden Einheit am Dienstag zumindest noch mal 45 Minuten lang geübt.
Mit dabei waren auch wieder Robin Koch (Adduktorenprobleme) und Tuta (Gehirnerschütterung), die Teile des Mannschaftstrainings absolvierten. Ob die beiden bis Freitag zum vorletzten Testspiel gegen Vitesse Arnheim fit werden, ist noch offen. „Bei Tuta sehe es wegen des medizinischen Protokolls, dass Spieler nach einer Gehirnerschütterung durchlaufen müssen, aber nicht so gut aus“, sagte Sportdirektor Timmo Hardung.
In Windischgarsten sollen von nun an defensive Inhalte im Training auf dem Plan stehen. „Wir feilen an taktischen Dingen“, sagt Ngankam, „müssen aber sicher auch noch ein bisschen laufen.“ Das Niveau hier sei jedenfalls höher als in Berlin. Beim Eckchenspiel komme es schon mal vor, dass er eine Minute in der Mitte dem Ball nachjage. Das Tempo ist hoch. Das gilt für das Training, aber auch sein potentieller Sturmpartner Kolo Muani, der zu den schnellsten Spielern in der Bundesliga gehört. Kann Ngankam da mithalten? „Kolo ist schon sehr schnell“, sagt er. „Aber ich denke, dass ich auch ziemlich schnell bin.“ Wir sind beide schnell.“ An Selbstvertrauen mangelt es dem Neuen schon mal nicht.
Quelle: Aktuell – FAZ.NET