Auf Bitten der Ukraine beruft NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am kommenden Mittwoch ein Treffen des neuen NATO-Ukraine-Rats ein. Ziel sei es, über die jüngsten Entwicklungen zu beraten und den Transport von ukrainischem Getreide durch das Schwarze Meer zu erörtern, teilte Bündnissprecherin Oana Lungescu am Samstagabend mit. Das Treffen soll auf Botschafterebene stattfinden.
Kurz vor der Ankündigung hatte Stoltenberg mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Stoltenberg teilte danach mit: „Wir verurteilen Moskaus Versuch, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen, aufs Schärfste.“ Die Verbündeten der Ukraine so lange wie nötig zur Seite. Selenskyj erklärte, er und Stoltenberg hätten über die Umsetzung der beim Gipfel erzielten und weiteren Schritte zur Integration der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis gesprochen. Man hat außerdem auch notwendige Schritte identifiziert, um den Getreidetransport über das Schwarze Meer zu deblockieren und langfristig zu gewährleisten. Was das für Schritte sind, teilte er allerdings nicht mit.
Russland Hatte am vergangenen Montag ein vor einem Jahr geschlossenes Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide übers Schwarze Meer auslaufen lassen, weil nach Darstellung des Kremls Moskaus Forderungen nach Erleichterungen für seinen Agrarexport nicht erfüllt worden sind. Die Vereinbarung hatte es der Ukraine seit Sommer vergangenen Jahres ermöglicht, trotz des russischen Angriffskriegs fast 33 Millionen Tonnen Getreide und Lebensmittel über den Seeweg in andere Länder zu verkaufen. Selbst während des Krieges blieb die Ukraine damit im Jahr 2022 der größte Weizenlieferant des Welternährungsprogramms.
Beim NATO-Gipfel in Vilnius hatten die 31 Mitglieder des Verteidigungsbündnisses wenige Tage zuvor beschlossen, die Zusammenarbeit mit der Ukraine weiter zu intensivieren und dazu den neuen NATO-Ukraine-Rat zu gründen. Außerdem wurde ein neues mehrjähriges Unterstützungsprogramm beschlossen.
Selenskyj drängt auf Wiederaufnahme von Getreidelieferungen
Trotz des ausgelaufenen Getreideabkommens mit Russland drängt Selenskyj auf die Weiterführung der Getreideexporte über das Schwarze Meer. „Jede Destabilisierung in dieser Region und die Störung unserer Exportrouten bringt Probleme mit entsprechenden Folgen für alle Menschen auf der Welt mit sich“, sagte er am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Der Anstieg der Lebensmittelpreise sei dabei das kleinste Problem.
Neuer Angriff auf Hafenstadt Odessa
Bei einem nächtlichen Angriff auf die ukrainische Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa ist nach dortigen Behördenangaben ein Zivilist getötet worden. „Leider gab es infolge der nächtlichen terroristischen Attacke der Russen auf Odessa einen zivilen Toten“, teilte der Gouverneur der Region, Oleg Kiper, Sonntagfrüh im Onlinedienst Telegram mit. Kurz zuvor hatte er von 18 Verletzten, darunter vier Kindern, gesprochen. Von den Verletzten waren 14 ins Krankenhaus eingeliefert worden, darunter drei Kinder.
Nach Kipers Angaben entstand durch den nächtlichen Angriff auch Sachschaden an „ziviler Infrastruktur, Wohngebäuden und religiösen Einrichtungen“. Laut einem Video, das die Stadtverwaltung von Odessa via Telegram verbreitete, wurde die Verklärungskathedrale beschädigt.
Der Stabschef des Präsidialamtes, Andrij Jermak, forderte mit Blick auf den erneuten russischen Beschuss mehr Raketenabwehrsysteme und taktische Raketen für sein Land.
Seit dem Auslaufen des Abkommens zum Export amerikanischen Getreides aus Schwarzmeerhäfen am Montag hatte Russland nach ukrainischen Angaben wiederholt die Hafenstädte Odessa und Mykolajiw angegriffen. Kiew nahm Russland insbesondere die Hafen-Infrastruktur ins Visier, um eine Wiederaufnahme ukrainischer Getreideexporte über das Schwarze Meer unmöglich zu machen. Die russische Armee versichert, nur Militäranlagen zu beschießen.
Quelle:Aktuell – FAZ.NET