Eine HIV-Infektion ist zwar dank wirksamer Medikamente heutzutage kein Todesurteil mehr, doch eine Heilung gibt es eigentlich nicht. In den vergangenen Jahren wurden jedoch insgesamt fünf HIV-Patienten, die an Blutkrebs erkrankten, durch eine Knochenmarktransplantation therapiert und wiesen anschließend in Bluttests keine Viren mehr auf. Ihre Immunzellen, die vom Virus angegriffen werden, erholen sich wieder. Sie gelten als geheilt.
Nun wurde eine weitere HIV-Patientin auf dieser Art erfolgreich behandelt, wie das Universitätsspital Genf vermeldet. Der Fall unterscheidet sich von den bisher durch Knochenmarkspenden geheilten HIV-Patienten: Sie alle hatten Transplantate von Spendern erhalten, die eine bestimmte Genmutation aufweisen, die sie praktisch resistent gegen das HI-Virus macht – die CCR5-Delta-32-Mutation. Menschen mit dieser Mutation fehlt auf den Immunzellen ein bestimmter Rezeptor, den das HI-Virus zum Andocken braucht.
Erstmals wies Spender keine schützende Genmutation auf
Die Genfer Patientin hatte aber Stammzellen von einem Spender oder einer Spenderin erhalten, der oder die diese Mutation nicht aufwies. „Trotzdem bleibt das Virus 20 Monate nach Absetzen der antiretroviralen Behandlung nicht nachweisbar“, schreibt das Universitätsspital Genf in einer Pressemitteilung. Wissenschaftliche Einzelheiten sollen in einer Studie vorgestellt werden, die auf einer am Sonntag beginnenden internationalen HIV-Konferenz im australischen Brisbane präsentiert wird.
Die Patienten infizierten sich wohl in den frühen 1990er-Jahren mit HIV. Sie wurde mit sogenannten antiretroviralen Medikamenten behandelt, die das Virus im Schach halten. Doch sie entwickelte eine aggressive Form der Leukämie, weshalb sie 2018 eine Stammzelltransplantation erhielt. 2021 konnten sie ihre HIV-Medikamente absetzen.
Für die allermeisten HIV-Patienten kommt eine solche Behandlung allerdings nicht in Frage – eine Knochenmarktransplantation ist mit sehr großen Risiken verbunden. Sogar bei Blutkrebspatienten wird sie, wenn möglich, vermieden. Die eigenen Blutstammzellen werden durch eine aggressive Chemotherapie komplett zerstört. Das macht die Patienten anfällig für Infektionen. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Spenderzellen abgestoßen werden.
Aus den Blutstammzellen bilden sich alle Blutzellen, auch die weißen Blutkörperchen – die Zellen der Immunabwehr. Das sind auch die Zielzellen von HIV, dem Humanen Immundefizienz-Virus, und zwar hauptsächlich die sogenannten CD4-Helferzellen.
„Obwohl dieses Protokoll aufgrund seiner Aggressivität nicht in großem Maßstab übertragbar ist, liefert dieser neue Fall unerwartete Elemente hinsichtlich der Mechanismen der Eliminierung und Kontrolle viraler Reservoire, die für die Entwicklung von kurativen Behandlungen für HIV wichtig sein werden“, erklärt Asier Sáez-Cirión, Leiter der Abteilung für virale Reservoire und Immunkontrolle am Institut Pasteur.
Erstmals wurde die Therapie experimentell im Jahr 2007 in Berlin erfolgreich bei dem gebürtigen US-Amerikaner Timothy Ray Brown durchgeführt. Er war 1995 positiv auf das HI-Virus getestet worden und hatte elf Jahre lang antivirale Medikamente eingenommen. 2006 erkrankte er an einer akuten myeloischen Leukämie, AML. Er hätte keine Chance gehabt, zu überleben. Nach der Transplantation war er auch von HIV geheilt – eine Weltsensation. Brown verstarb 2020 an einer Leukämie.
Quelle:Aktuell – FAZ.NET